Kann man sich gar nicht vorstellen, dass diese Zeiten noch gar nicht so lange vorbei sind. Aber Netflix hat sich durchgesetzt und nimmt dem Fernsehen immer mehr Marktanteile ab. Dabei profitierte der Trendsetter lange Zeit davon, dass die großen Studios ihm ihren Content entgeltlich überließen. Netflix hatte also immer reichlich Programm zu bieten.
Doch die Zeiten änderten sich. Amazon drängte mit Prime in den Markt und die großen Film-Studios und Rechteinhaber kamen auf den Gedanken, ihre eigenen Streaming-Dienste zu starten als Konkurrenz-Angebot zu Netflix.
Das war natürlich eine waghalsige Idee, denn der Markt war schon verteilt und gegen Netflix kein Kraut gewachsen. Dachte man, doch dann kam Corona und die Menschen fuhren ihre aktive Freizeitgestaltung runter und die eher passive, wie das Streamen, hoch. Die Nachfrage explodierte geradezu und elektrisierte die ganze Branche.
Neben Netflix, Prime und Sky gab es auf einmal Apple TV, HBO Max und Disney+. Sie alle wollten die Konsumenten zu Abonnements verleiten und machten ihren zuvor bereitwillig verteilten Content weitgehend exklusiv. Zulasten von Netflix. Denn Netflix hat wenig „alten“ Content, sondern muss ständig neuen produzieren, um für die Abonnenten interessant zu bleiben. HBO, das inzwischen zum Medienriesen Warner Bros. Discovery gehört, ist seit langem für erstklassige Serien bekannt und Warner ist eines der Mayor Studios, die seit mehr als 100 Jahren Filme produzieren und eine entsprechend reichhaltige Filmbibliothek haben. Paramount ist ebenfalls ein solcher Global Player und firmierte bis vor kurzem noch als ViacomCBS. Und Amazon hat sich neben den Rechten an der Herr der Ringe-Saga das Filmstudio MGM geschnappt.
Die Filmbibliotheken enthalten aber nicht nur alte Filme, sondern sie sind die Basis für erfolgreiches Franchise. Die Superhelden-Sagas Batman, Iron Man und Spiderman werden immer wieder neu verfilmt und es gibt einzelne Auskopplungen, in denen die Geschichten fortgeschrieben werden. Star Trek war eines der ersten Franchises, die hier neue Maßstäbe setzten.
The Walt Disney Corp.
Und dann gibt es da noch Star Wars, Micky Maus und Donald und viele andere Charaktere, die inzwischen alle zum Medien-Giganten Walt Disney gehören. Dieser ist längst nicht mehr auf Zeichentrickfilme festgelegt, sondern hat ganz neue Welten erschlossen. Im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern sind Kinofilme und Streaming nur ein Teil des Angebots-Spektrums. Disney betreibt auch eine Reihe von Freizeit- und Vergnügungsparks und unterhält eine eigene Cruiseline.
Mit den soeben vorgelegten Zahlen zum 2. Quartal gelang Disney ein Paukenschlag. Der zuletzt schwächelnde Branchen-Primus Netflix lag bei den Abonnentenzahlen mit 220,7 Mio. scheinbar uneinholbar weit in Führung, doch Disney konnte so stark zulegen mit seinen drei Streaming-Angeboten Disney+, ESPN+ und Hulu, dass man hauchdünn die Nase vorn hat.
Disney hat mehr Abonnenten als Netflix? Wie kann das sein? Netflix-Jünger zeigen sich schockiert angesichts der Schwäche des – bisherigen – Streaming Kings und verweisen darauf, dass Disney mit Bundle-Angeboten arbeite und wenn ein Kunde sich für zwei oder gar alle drei Streaming-Dienste entscheide, dann würde Disney diese entsprechend als zwei oder drei Abonnenten zählen.
Also alles im Lack für Netflix? Mitnichten. Netflix hat im letzten Quartal Kunden verloren, erstmals in seiner Geschichte. Dabei gab es Gegenwind aus Russland und man versucht, „Mitseher“ loszuwerden und zu eigenständigen Abonnenten zu machen. Mit eher mäßigem Erfolg.
Disney hingegen zeigte starkes Wachstum. Disney+ gewann im Jahresvergleich 31% an Abonnenten auf nun 152,1 Mio., ESPN+ legte um 53% auf 22,8 Mio. zu und Hulu immerhin um 8% auf 46,2 Mio. In Summe weisen die Disney-Dienste damit 221,1 Mio. Abonnenten auf. Rekord!
Und zwar ein Rekord, der umso beeindruckender ist, als Disney ja erst Ende 2019 überhaupt erst sein Streaming-Angebot gestartet hat!
Mehr als Streaming
Disney verdient mit dem Streaming bisher aber noch kein Geld; der Aufbau der Dienste und der weltweite Rollout ist einfach zu kostspielig. Dabei kommen die stärksten Wachstumsschübe aus Asien, wo wiederum die niedrigsten Margen zu verdienen sind. Ein Problem, das Netflix nur zu gut kennt.
Disney nutzt die Gunst der Stunde und erhöht seine Preise kräftig. Disney+ wird ab dem 23. August 10,99 US-Dollar pro Monat kosten, während für die neu eingeführte werbebasierte Variante 7,99 US-Dollar zu entrichten sind – und damit so viel, wie bisher für das werbefreie Abo. Bei Hulu zieht der Preis je nach Abo-Modell ebenfalls um 1 bis 2 US-Dollar pro Monat an und ESPN+ hatte kürzlich in den USA ebenfalls an der Preisschraube gedreht.
Es ist nicht davon auszugehen, dass Disney+ viele Abonnenten verlieren wird. Der Content ist einfach zu gut und die neuen Serien „Obi Wan“ oder „Ms Marvel“ sind echte Hits.
Doch Disney ist viel mehr als Streaming und das stellt eine wirtschaftliche Kraft dar, die Netflix nicht aufbieten kann. Zum Konzern-Angebot gehören auch die klassische TV-Kabelsparte sowie Filmstudios, Themenparks, Ferienanlagen und Kreuzfahrtschiffe. Bereiche, die in der Corona-Hochphase enorme Verluste einfuhren und zur Streichung der Dividende führten, die sich aber nun voll auf Erholungskurs befinden.
Im 2. Quartal wuchs der Umsatz des Disney-Konzerns im Jahresvergleich um 26% auf 21,5 Mrd. US-Dollar und der Gewinn stieg um 53% auf 1,4 Mrd. US-Dollar. Auf Sicht der ersten 9 Monate des Geschäftsjahrs 2021/22 legte der Umsatz sogar um 28% zu. Der verwässerte Gewinn pro Aktie aus fortgeführten Geschäften stieg im 2. Quartal um 54% auf 0,77 US-Dollar je Aktie und auf 9-Monatssicht sogar um knapp 63% auf 1,66 US-Dollar je Aktie.
The Walt Disney Company (ISIN: US2546871060) |
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WKN / Kürzel |
Börsenwert |
KGV 21/22e/23e |
Kurs |
855686 / DIS |
215 Mrd. USD |
161 / 48 / 25 |
120,64 USD |
Unser Fazit
Ich denke, Disney hat es sich redlich verdient, künftig als der neue Streaming-King tituliert zu werden. Man hat Netflix vom Thron gestoßen und steht viel besser da. Das liegt daran, dass man in den „klassischen“ Bereichen wieder richtig Geld verdient, wenngleich auch dort noch viel Verbesserungspotenzial schlummert. Und dieses Geld hält der Streaming-Sparte den Rücken frei für ihr aggressives Wachstum.
Für das Gesamtjahr will Disney rund 30 Mrd. US-Dollar in die Produktion neuen Contents stecken. Das sind gute Nachrichten. Disney wird weiterhin seine Filme zuerst in die Kinos bringen und widersetzt sich (noch?) dem neuen Branchentrend.
Aber in Sachen Streaming spielt die zukünftige Musik, zumal hier große Skalierungsmöglichkeiten winken. Ähnlich wie bei Software muss das Produkt (der Content) einmal hergestellt werden. Ob er danach in ein oder 55 Länder und an 10 oder 250 Mio. Abonnenten verteilt wird, spielt auf der Kostenseite nur eine kleine Rolle. Aber auf der Einnahmeseite sind es Welten!
Disney hat den Content und Disney erstellt ständig weiteren Content. Und die Menschen wollen genau diesen Content unbedingt sehen, daher schließen sie Abos für Disney+, Hulu und/oder ESPN+ ab.
Die Preiserhöhungen erhöhen die Profitabilität der Streaming-Sparte; Gewinne stehen hier aber noch nicht auf der unmittelbaren Agenda. Man möchte schnell wachsen und die Wettbewerber „Staub fressen lassen“, wie es in dem Queen-Klassiker so schön heißt. Das gelingt.
The Walt Disney Company dürfte wohl mit am besten positioniert sein im Entertainment-Sektor und ist ein Investment wert.
Apropos Investment... Warren Buffett war in frühen Jahren mal Disney-Aktionär. 1966 erwarb es für knapp 4 Mio. US-Dollar 5% des Unternehmens, doch nach nur einem Jahr verkaufte er die Aktien und kassierte seinen Gewinn von 50% bzw. 2 Mio. US-Dollar ein. Heute ist Disney 215 Mrd. US-Dollar schwer und aus den 4 Mio. US-Dollar wären 10,75 Mrd. US-Dollar geworden. Damit wäre Disney seine siebtgrößte Position zwischen Kraft Heinz und Moody’s. Und Dividenden hätte Buffett in den 56 Jahren auch noch reichlich eingefahren.
Das Gute daran: (Auch) seine damalige Fehleinschätzung bei Disney hat aus Buffett den langfristig orientierten Investor gemacht, der auf die Macht des Compounding setzt und die Aktien von Qualitäts-Unternehmen gerne „für immer“ hält. Bei Disney hat er den Wiedereinstieg irgendwie nie geschafft. Schade eigentlich.
Aber das muss uns ja nicht davon abhalten, uns an diesem wundervollen Entertainmentriesen zu beteiligen. Im Frühjahr 2021 versuchte sich die Aktie an der Marke von 200 US-Dollar, bevor es mit dem vermeintlichen Corona-Gewinner in der breit angelegten Börsenkorrektur um mehr als 50% in den Keller ging.
Mitte Juli konnte die Marke von 90 US-Dollar verteidigt werden und seitdem zieht der Kurs kraftvoll nach oben. Die starken Quartalszahlen sorgten für einen Extraschub und inzwischen sind die 120 US-Dollar wieder erreicht. Weiteres Gewinnpotenzial ist jedenfalls vorhanden – im Unternehmen und im Kurs.

Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig.
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Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte:
Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Amazon & Walt Disney
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Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

>> Die nächste Ausgabe erscheint am 20. August

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