Seitdem schlagen sich die Unternehmen mit zunehmenden Zweifeln herum, ob ihre großen Erfolge während der Corona-Pandemie alleine auf die Ausnahme-Situation zurückzuführen waren und ihr Geschäftsmodell ohne Lockdown und Kontaktbeschränkungen vielleicht gar nicht funktioniert.
Zu den größten Corona-Gewinnern gehörten Online-Shops und Handels-Plattformen, weil sich die zuhause „eingesperrten“ Menschen über das Internet oder das Smartphone mit dem Nötigsten versorgen konnten. Nach der ersten Eingewöhnungsphase wurde "Work from Home" zum Standard und das Erleben der eigenen vier Wände wurde für viele zum Aha-Erlebnis. Und zum Schock. Wenn man sein zuhause eigentlich fast nur zum Schlafen nutzt, nun aber 24 Stunden am Tag darin verbringt, bekommt es einen viel höheren Stellenwert: Der Cocooning-Trend wurde massiv befeuert und überall in der Republik und auf der Welt fingen die Menschen an, ihr zuhause aufzumöbeln. Im wahrsten Sinne des Wortes. Neue Couch, neues Bett, neuer Schrank, aber auch neuer Teppich, neue Lampen, neue Küche, alles neu. Bestellen übers Internet war so schön einfach und quasi alternativlos, weil Möbelläden ebenso geschlossen waren wie Bau- und Gartenmärkte, jedenfalls während des ersten Lockdowns. Oder Mode-Läden und Restaurants.
Nun war es aber nicht so, dass die Online-Anbieter auf den riesigen Kundenansturm vorbereitet gewesen wären, der sie geradezu überrollte. Selbst Gigant Amazon kam schnell an den Rand seiner Leistungsfähigkeit und musste in die vollen gehen. Mehr als 6 Milliarden US-Dollar ließ Amazon es sich im 2. Quartal 2020 kosten, um seine internen Abläufe, seine Logistik, sein Hygiene-Konzept, seinen Personalbestand Corona-tauglich auszurichten. Hunderttausende neue Mitarbeiter wurden eingestellt und die hohen Investitionen hielten auch in den folgenden Quartalen an.
Herausforderungen
Dabei ist Amazon seit Jahren führend im Bereich der Logistik und des Warenhaus-Managements. Andere, jüngere Unternehmen steckten hier noch in den Anfängen und stießen schnell an Kapazitätsgrenzen. Ob Online-Möbelhändler wie home24 und Westwing, Mode-Plattformen wie Zalando, Essens-Lieferdienste wie Delivery Hero und HelloFresh, oder Versand-Apotheken wie Shop Apotheke Europe oder DocMorris (Zur Rose Group). Sie alle wurden mit Kundenanfragen überrannt und mussten schnellstens ihre Kapazitäten erweitern – und zwar unter verschärften Corona-Bedingungen.
Dabei hatten die neuen Kunden in den Anfängen großes Verständnis, wenn Dinge nicht richtig funktionierten oder es zu längeren Wartezeiten kam. Niemand war auf eine Pandemie vorbereitet, überall kam es zu Einschränkungen und Umgewöhnungsnotwendigkeiten. Doch mit der Zeit ließ die Fehlertoleranz der Kunden nach, zu Recht. Die Kunden bezahlten gutes Geld für die Leistung und wollten dem entsprechend gut und korrekt behandelt werden. Das klappte nicht immer, vor allem im Bereich Service und Beschwerde-Management taten sich große Lücken auf und bei den Kunden wuchs der Frust. Die Unternehmen kämpften dagegen an und rüsteten kräftig auf: Bei Personal, Lager-Logistik, Warenversand, Service. Oftmals mit Erfolg.
Die hohen Investitionen drückten zwar auf die Margen, aber die Umsätze explodierten. Und dank der Skalierbarkeit des Geschäftsmodells dann auch die Margen und Gewinne. Zumindest auf operativer Basis. Und daran haben sich die Aktionäre gewöhnt.
Ende 2019 ging niemand davon aus, dass HelloFresh oder home24 oder Shop Apotheke in absehbarer Zeit profitabel werden würde. Und bei Zalando rückte nach dem strategischen Schwenk weg von den Eigenmarken hin zur Plattform-Strategie die Gewinnzone auch wieder in weitere Ferne. Doch im Corona-Jahr 2020 wurden die Aktionäre verwöhnt. Die Umsätze explodierten und legten in hohen 2-stelligen Prozenten zu, teilweise 3-stellig. Und auch der Cashflow stieg gewaltig an sowie in der Folge das EBITDA und die Margen.
Das ging bis ins Frühjahr gut, dann folgte die Ernüchterung. Denn wir starteten mit einem neuen harten Lockdown ins Jahr 2021, so dass die Online-Geschäftsmodelle weiter kräftigen Rückenwind bekamen. Die vermeldeten Umsätze und Gewinne stiegen rasant, jedenfalls im Vergleich zum Vorjahr. Denn damals rauschte die Wirtschaft gerade abwärts, als Corona sich zu entfalten begann. Der beginnende Rebound der Wirtschaft im 2. Quartal 2020 hob auch die Vergleichsbasis für das 2. Quartal 2021 an und schon sahen die prozentualen Zuwachsraten weniger imposant aus als die im 1. Quartal. In absoluten Zahlen legten die Umsätze und Ergebnisse weiter deutlich zu. Aber auch die Sorgen, dass das Wachstums-Paradies seine Pforten bald schließen würde.
Gegenwind
Nun ist das 3. Quartal vorbei und wir erwarten die aktuellen Zahlen. Dabei ist klar, dass die prozentualen Zuwachsraten nochmals niedriger ausgefallen sein dürften, weil sich der Online-Handel im Vorjahresquartal bereits komplett etabliert hatte. Des Weiteren schrumpfen die Margen, vor allem wegen stark zulegender Marketingkosten, und das will niemand bei einem Wachstums-Unternehmen hören. Üblicherweise signalisiert eine solche Entwicklung nämlich, dass das Geschäftsmodell nicht rund läuft und gegebenenfalls nicht so skalierbar ist, wie erhofft. Doch dass der Marketing-Aufwand in die Höhe schießt, ist bei den Online-Unternehmen nur normal.
Während der Corona-Lockdowns wurden sie von Kunden überschwemmt und musste keine Werbung machen. Die Kunden kamen auch so und oft konnten sie diese schon nicht bedienen, so dass die Wartezeiten immer länger wurden. Durch den Kapazitätsausbau und die stückweise Normalisierung müssen auch Online-Unternehmen nun wieder auf Kundenfang gehen und deshalb schalten sie wieder Werbung und fahren ihre Promotion-Aktivitäten hoch und motivieren ihre Influencer. Das kostet Geld und drückt auf die Marge. Doch der vergleich mit 2020 hinkt, daher sollte man beim Vergleich lieber 2019 heranziehen. Denn damals wuchsen die Online-Unternehmen vor allem wegen erfolgreichem Marketing.
Diese Entwicklungen werden dennoch Wasser auf die Mühlen der Skeptiker schaufeln und das setzt die Aktienkurse seit Wochen unter Druck. Hinzu gesellen sich die allgemeinen Risiken für Wachstums-Werte, denn die stark anziehende Inflation lässt Zinsanhebungen schneller möglich scheinen. Steigende Zinsen wirken sich am ehesten bei Technologie- und Wachstums-Aktien negativ aus und damit stehen diese Aktien auch unter diesem Aspekt unter kritischer Beobachtung.
Darüber hinaus klagt die Wirtschaft weltweit über Lieferengpässe und stark gestiegene Rohstoff-Preise. Insbesondere aus China kommen zurzeit immer weniger Waren bei uns an und es ist zu vermuten, dass vielen das Weihnachtsgeschäft verdorben wird, weil sie keine oder nicht genügend Ware haben werden für ihre Kunden.
Damit stehen die Corona-Gewinner aber nicht allein, auch die „normale“ Wirtschaft sieht sich mit diesen Problemen konfrontiert. Die entscheidende Frage ist daher, welche Aktien sich nun (wieder) lohnen auf Sicht von 12 oder 18 Monaten.
Zalando
Die Zalando-Aktie war im Corona-Einbruch auf 30 Euro angestürzt und hatte sich dann bis Ende 2020 auf über 90 Euro mehr als ver-3-facht. Im Februar schob sie sich erstmals an die 100-Euro-Marke heran, bevor sie in der allgemeinen Markt-Korrektur auf 80 Euro einbrach. Anfang Juli hatte sie sich zurückgekämpft und konnte erstmals über die 100 Euro vorstoßen, doch der Ausbruchsversuch gelang nicht und seit Mitte September fällt der Kurs stark ab.
Dabei hatte Zalando starke Zahlen für das 2. Quartal abgeliefert. Europas führende Online-Plattform für Mode und Lifestyle steigerte das Bruttowarenvolumen (Gross Merchandise Volume, GMV) gegenüber dem Vorjahreswert um 40,0 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro. In den vergangenen 12 Monaten hat Zalando mehr als 10 Millionen aktive Kunden gewonnen und zählte zum Ende des 2. Quartals insgesamt 44,5 Millionen aktive Kunden. Dabei haben die Kunden die Plattform intensiver genutzt, so dass die durchschnittlichen Bestellungen je aktivem Kunden auf den neuen Höchstwert von 5,0 anstiegen.
Mit einem bereinigten EBIT in Höhe von 184,1 Millionen Euro und einer Marge von 6,7 Prozent erzielte Zalando im 2. Quartal eine solide Profitabilität. Das Unternehmen investierte signifikant mehr in Kundengewinnung und Marketing, um Wachstums-Chancen wahrzunehmen. Durch die Wiedereröffnungen der lokalen Modegeschäfte muss Zalando nun auch wieder in Marketing investieren, das reduziert die zuletzt überdurchschnittlich hohe Marge.
Zalando bestätigt den Ausblick für das Geschäftsjahr 2021 und erwartet ein Wachstum des GMV in Höhe von 31 bis 36 Prozent auf 14,0 bis 14,6 Milliarden Euro sowie ein Umsatzwachstum in Höhe von 26 bis 31 Prozent auf 10,1 bis 10,5 Milliarden Euro. Aufgrund der starken Umsatzentwicklung und einer weiterhin geringen Retourenquote im 1. Halbjahr 2021 erwartet Zalando nun ein bereinigtes EBIT in der oberen Hälfte der Spanne von 400 bis 475 Millionen Euro.
Die Wachstums-Aussichten stimmen weiter. Zalando hat sich als Mode-Plattform etabliert und weitet sein Angebot um Marken und angrenzende Produkte aus. Zalando wird immer mehr als zusätzlicher Vertriebskanal gesehen, sowohl von kleinen Mode-Läden als auch von Ketten und Mode-Labels. Die hohen Investitionen in Fullfilmet und Lager-Lgistik werden sich hier künftig auszahlen und der Aufstieg in den neuen DAX40 bringt dem Unternehmen auch international mehr Aufmerksamkeit. Der Aktienkurs sollte daher überdurchschnittliches Potenzial haben.
Zalando SE (ISIN: DE000ZAL1111) |
|
WKN / Kürzel |
Börsenwert |
KGV 21e/22e/23e |
Kurs |
ZAL111 / ZAL |
20 Mrd. EUR |
83 / 72 / 53 |
77,38 EUR |
HelloFresh
HelloFresh ist noch nicht so lange etabliert wie Zalando und wurde vom damaligen Großaktionär Rocket Internet ziemlich brachial an die Börse gedrückt. Der Kurs stand daher von Anfang an unter Druck und anfangs konnte das Unternehmen die zum Börsengang behaupteten Zahlen auch nicht liefern. Der Kurs siechte daher die ersten 2 Jahre nach dem IPO vor sich hin und erwachte erst im Herbst 2019 zum Leben, als der Erfolg des Geschäftsmodells langsam sichtbar wurde und das Unternehmen sich Richtung Profitabilität entwickelte.
Von unter 10 Euro schob sich der Kurs bis zum Februar 2020 auf 25 Euro hoch, dann erfolgte der Corona-Einbruch, der die Aktie wieder Richtung 15 Euro führte. Bis zum Jahresende 2020 ver-4-fachte sich der Kurs dann auf 60 Euro und konnte unter starken Schwankungen auch in diesem Jahr weiter zulegen. Ende August markierte er bei 95 Euro sein Allzeithoch und seitdem ging in der Korrektur auf 80 Euro runter.
Bei HelloFresh gibt es viele Kritiker, die den Markt für Kochboxen als Hype ansehen und ihm keine große Zukunft bescheiden. Eigentlich hätten die Kunden die Mealkits nur ausprobiert, weil ihnen in der Corona-Pandemie keine Alternative geblieben wäre.
Dem steht die Realität gegenüber. Denn obwohl die Corona-Beschränkungen in den USA und Australien zurückgedreht worden waren, brachen HelloFreshs Absatzzahlen dort nicht ein. Im Gegenteil, HelloFresh legte weiter zu und zwar auch zulasten der Wettbewerber.
Das spricht nicht nur dafür, dass das Angebot nachgefragt wird, sondern auch, dass HelloFresh vieles besser macht als seine Konkurrenz.
Für das 2. Quartal haben die Kochbox-Profis sehr starke Zahlen vorgelegt. Der Umsatz belief sich im 2. Quartal auf rund 1,56 Milliarden Euro und lag damit um 60 Prozent über dem Wert des Vorjahresquartals und den Erwartungen. Auch das bereinigte EBTIDA von 158 Millionen Euro lag über den Analysten-Schätzungen.
Noch beeindruckender sind diese HelloFreshs Zahlen, wenn man auf die Wettbewerber blickt. Sowohl Marley Spoon als auch Blue Apron kommen nicht hinterher. Insbesondere Blue Apron als ehemaliger Marktführer in den USA verzeichnet sogar Umsatzrückgänge und steuert auf die Pleite zu, während der frühere Underdog HelloFresh seinen Marktanteil in den USA auf über 65 Prozent ausgebaut hat. Durch die neuen Marken Everyplate und Greenchef hat man sich neue Kundengruppen erschlossen, die vermutlich so um die 20 Prozent zusätzliche Kunden beigesteuert haben, und die Bestellfrequenz hat sich signifikant erhöht.
Das Management sah sich daher genötigt, die Jahresprognosen deutlich zu erhöhen. Beim Umsatz rechnet man seitdem mit einem um Währungseffekte bereinigten Anstieg um 45 bis 55 Prozent statt zuvor 35 bis 45 Prozent. Allerdings investiert man schneller und mehr in Technologie, Produktionsstätten und Logistik, was vorübergehend die EBIDTA-Marge belastet. Die operative Marge soll demnach im laufenden Jahr zwischen 8,25 und 10,25 Prozent landen anstatt bei 10 bis 2 Prozent. Grundsätzlich ist eine Verringerung der Margen ein Warnsignal, denn wenn die Profitabilität sinkt ist dies ein Zeichen, dass das Geschäftsmodell an Wachstumsgrenzen stößt. Doch genau das ist bei HelloFresh nicht der Fall. Die Marge sinkt ausschließlich deshalb, weil man die Investitionen in die Zukunft erhöht.
Das passierte übrigens vor 3 Jahren schon einmal. Auch 2018 ging HelloFresh in die Investitions-Offensive und opferte Marge, was den Aktienkurs massiv einbrechen ließ. Am Ende war der dominierende US-Wettbewerber Blue Apron niedergerungen und in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Heute steht fest, dass HelloFresh nur deshalb so erfolgreich ist und so profitabel, gerade weil es zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Investitionen in die Zukunft gestemmt hat.
Des Weiteren ist auch HelloFresh in den neuen DAX-40 aufgestiegen und befindet sich weiter auf Akquisetour. Nach der Übernahme von Youfoodz sicherte man sich jetzt auch im Zuge einer Barkapitalerhöhung eine Beteiligung an Chefmarket, Russlands führendem Kochbox-Versender. Darüber hinaus investiert Hellofresh massiv in Personal, um in weitere Märkte zu expandieren und in bestehenden Märkten die Marktanteile erhöhen zu können. So sollen 1.000 neue Tech-Mitarbeiter für die Entwicklung und Skalierung maßgeschneiderter Software-Lösungen in Berlin, New York, Toronto, Sydney und Boulder eingestellt und somit das globale Tech-Team verdoppelt werden. Dabei geht es nicht mehr alleine um Kochboxen, sondern man erschließt sich auch den wachsenden Markt von gesunden Fertiggerichten und klassischen Supermarkt-Artikeln („Hellofresh Market“ startete jüngst in den USA).
Die Aktie sollte nach Abschluss der Korrektur schnell wieder auf ihren Erfolgsweg zurückfinden und sich parallel zu den operativen Erfolgen weiterhin überdurchschnittlich entwickeln.
HelloFresh (ISIN: DE000A161408) |
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WKN / Kürzel |
Börsenwert |
KGV 21e/22e/23e |
Kurs |
A16140 / HFG |
14 Mrd. EUR |
44 / 39 / 30 |
79,49 EUR |
home24
Die Aktie von home24 war Oliver Samwers größte Sünde. Der Rocket Internet-Chef brachte home24 Mitte 2018 an die Börse und der Kurs konnte anfangs auch zulegen bis auf 30 Euro. Im Anschluss gab es eine niederschmetternde Meldung nach der anderen und es wurde sogar die Überlebensfähigkeit des Unternehmens infrage gestellt, da der Cashburn enorm war. Und Großaktionär Rocket Internet stieß immer mehr Aktien in die fallenden Kurse hinein ab. Vertrauen sieht anders aus. Mitte 2019 war er auf unter 3 Euro abgestürzt, bevor er sich langsam zu erholen begann. Der Corona-Absturz sorgte für ein neues Allzeittief, das bei 2,55 Euro markiert wurde, also mehr als 90 Prozent unter dem Allzeithoch.
Doch dann kam Corona und die Wende. Ende 2020 stand der Kurs bei 22 Euro, bis Mitte Februar 2021 ging es auf über 22 Euro hoch. Der bevorstehende Börsengang der Brasilien-Tochter Mobly heizte die Euphorie ordentlich an. Seitdem geht es mit zwischenzeitlichen Erholungswellen kräftig nach unten, zuletzt fiel auch die Marke von 14 Euro.
home24 verkauft als klassischer E-Commerce-Händler in Europa Möbel an Endverbraucher und ist unter „Mobly“ auch in Brasilien aktiv – mit entsprechenden Währungsrisiken. Und Mobly ist auch Teil des Problems, denn seit dem IPO vor rund einem halben Jahr ist der Kurs um rund zwei Drittel gefallen.
home24 verkauft nicht nur Marken-Produkte, sondern betreibt auch ein „White-Label-Geschäft“, bei dem beliebte Produkte unter eigenen Marken-Namen selbst hergestellt werden. Dementsprechend sind die Deckungsbeiträge höher, allerdings auch das Absatz- und Retouren-Risiko. Der Anteil an „Private Label“-Produkten wird ständig weiter ausgebaut, um damit die Deckungsbeitragsmarge und damit die Profitabilität insgesamt zu erhöhen.
Da die Menschen in der Corona-Pandemie nicht in die Möbelhäuser gehen konnten, waren sie gezwungen, sich auf Alternativen einzulassen. Denn Möbel gehören nicht zu den Produkten, die einem als erstes einfallen, wenn man an einen Online-Kauf denkt. Zu sperrig, zu schwer, zu teuer. Und weder Kunde noch Online-Händler haben etwas davon, wenn der Kunde mit dem gelieferten Möbelstück nicht zufrieden ist und es wieder zurückschickt.
home24 hat daher viel in das Einkaufserlebnis investiert und auch in seine Logistik. Mit großem Erfolg, der nicht nur, aber doch stark von Corona beflügelt wurde. Und so ist es home24 deutlich früher gelungen, die kritische Größe zu erreichen. Damit ist gemeint, dass ein Mindestumsatz und -umschlag erzielt werden muss, der die Infrastruktur bezahlt. Die IT, die Lagerhaltung usw. Sobald dieser Punkt überschritten ist, winkt die Profitabilität. Der Skalierungseffekt greift auch hier.
Das ging natürlich zulasten der Margen, aber home24 arbeitet inzwischen ebenfalls operativ profitabel. Das ist ein großer Fortschritt, denn man ist nun nicht mehr auf externe Geldquellen angewiesen, um sein Wachstum zu finanzieren. Die Neukundengewinnung läuft vor allem über klassische Online-Anzeigen bei Google oder Facebook, aber auch über Marketing-Aktionen via Payback. Ergänzend natürlich über den Email-Newsletter für bestehende Kunden. Doch insbesondere die Anzeigenschaltung drückt nun aufs Ergebnis, weil auch home24 wieder kräftig ins Marketing investieren muss, um sich der wiedereröffneten Konkurrenz der stationären Möbelhäuser zu erwehren.
Da das 3. Quartal bei home24 traditionell das der größten Investitionen ist, während man im Weihnachtsquartal die größten Umsätze und Ergebnisbeiträge einfährt, sind die Erwartungen an die Zahlen zum 3. Quartal eher gering. Auch war das 2. Quartal besonders stark, da es im 1. Quartal zu massiven Lieferverzögerungen gekommen war und diese nachgelagert im 2. Quartal in den Zahlen aufschlugen. So lag der Umsatzzuwachs im 2. Quartal bei 41 Prozent gegenüber Vorjahr, während das Bestellvolumen in Europa lediglich um 23 Prozent höher lag.
Die Lieferkettenproblematik und die stark gestiegenen Preise für Vorprodukte belasten zusätzlich. Mittelfristig, bis Ende 2023, möchte home24 einen Umsatz von 1 Milliarde Euro erzielen. Das soll auch über die Expansion ins europäische Ausland gelingen.
Der Kursabsturz ist bei home24 deutlich stärker als bei den beiden anderen Werten. Dabei verfügt das Unternehmen über ein sattes Cashpolster und kann auch noch seine restlichen Anteile an Mobly versilbern. Hier wäre allerdings ratsam, eine deutliche Kurserholung abzuwarten, um die Anteile nicht zu deutlich unter Wert abgeben zu müssen. Handlungsdruck besteht hier jedenfalls nicht.
Dem Unternehmen wird momentan wenig zugetraut und das könnte sich auf dem jetzigen Kursniveau für hartgesottene Anleger als gute Einstiegsgelegenheit herausstellen. Sofern home24 nicht zu sehr von der Lieferkettenbelastung heimgesucht wird und seine ambitionierten Ziele umsetzen kann.
home24 SE (ISIN: DE000A14KEB5) |
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WKN / Kürzel |
Börsenwert |
GpA 21e/22e/23e |
Kurs |
A14KEB / H24 |
394 Mio. EUR |
-0,94 / -0,78 / -0,65 EUR |
281,92 EUR |
Shop Apotheke Europe
Beim Blick auf den 5-Jahres-Chart sieht man, dass der Kurs von Shop Apotheke eigentlich erst mit Ausbruch der Corona-Pandemie so richtig ins Laufen kam. Ein klarer Corona-Gewinner also. Bis Ende 2020 hatte er sich auf 150 Euro gut ver-3-facht und schoss bis Mitte Februar auf ein Allzeithoch von 246 Euro. Seitdem geht es steil bergab und Anfang August war die Kurshalbierung komplett als der Kurs ein Jahrestief bei 120 Euro markierte.
Shop Apotheke ist einer der Pioniere in einem boomenden Wachstums-Markt. Bekanntester Wettbewerber ist die Zur Rose-Gruppe aus der Schweiz, deren Tochter DocMorris oft Schlagzeilen macht. Die Bestellung von rezeptfreien und verschreibungspflichtigen Medikamenten sowie Nahrungsergänzungsmitteln über das Internet kommt immer mehr in Mode, auch wenn in Deutschland die bestehenden Strukturen der Apotheken-Versorgung gesetzlich geschützt werden. Dabei wächst der Gesundheits-Markt ohnehin aufgrund des demographischen Wandels und dem stärker werdenden Wunsch, länger aktiv am Leben teilhaben zu können.
Apotheken gehören natürlich zu den systemrelevanten Unternehmen, die auch während des Lockdowns geöffnet blieben. Der hohe Kostendruck hat die Unternehmen allerdings schon vor dem Corona-Ausbruch dazu verleitet, an Sonn- und Feiertagen immer seltener für die Kunden da zu sein, so dass diese unter Umständen 20 oder 30 Kilometer durch die Gegend fahren müssen, um zur geöffneten „Not-Apotheke“ zu gelangen. Das erzeugt Unmut und erhöht nicht gerade die Kundenbindung. Darüber hinaus haben Apotheken häufig nur noch die gängigsten Medikamente vorrätig, so dass man nicht selten zu einem zweiten Besuch aufgefordert wird, wenn das Medikament dann bestellt und vorrätig ist. Sowas nervt und gerade in Corona-Zeiten spart man sich gerne jeden unnötigen weiteren Anlauf.
Daher probieren immer mehr Menschen die Online-Bestellung bei Versand-Apotheken aus und wer diesen Weg erst einmal liebgewonnen hat, bleibt oft auch dabei. Denn die Preisunterschiede, die zwischen einzelnen, auch räumlich nahe gelegenen, Apotheken herrschen können, kann man beim Präsenzeinkauf vor Ort ja nicht wirklich ausschöpfen. Online kann man die Preise hingegen umgehend und einfach vergleichen und so gutes Geld sparen.
Doch Shop Apotheke wurde Opfer des eigenen Erfolgs. Der starke Kundenansturm konnte nicht mehr bewältigt werden und so investierte man in ein neues Logistikzentrum. Doch dabei lief nicht alles glatt und es gab erhebliche Probleme und Verzögerungen. Deshalb musste das Unternehmen viele Monate lang beide Versandzentren parallel laufen lassen und das sorgte für Falschlieferungen, Fehler lange Versandverzögerungen. Genau das, was Kunden nicht wollen.
Wettbewerber DocMorris profitierte die letzten Monate stark und Shop Apotheke kam kräftig ins Hintertreffen. Doch nun soll alles anders und vor allem besser werden. Das neue Logistikzentrum ist endlich am Start und funktioniert. Das vereinfacht die Abläufe und entlastet das Personal und wird die Kundenzufriedenheit wieder deutlich erhöhen. Zugleich werden die Kosten deutlich sinken, die die doppelten Strukturen erzeugt haben.
Es könnte also alles wieder rund laufen, gerade Rechtzeitig zum Start des elektronischen Rezepts. Im Januar 2022 greift die Einführungspflicht und ab dann sollen gesetzlich Versicherte QR-Codes bekommen statt rosa Papier. Doch die seit Juli laufende, ursprünglich auf 3 Monate angelegte Testanwendung in einigen Praxen, Klinken und Apotheken in Berlin und Brandenburg wurde nun bis Ende November verlängert. Grund ist, dass viele Arztpraxen noch gar nicht die technische Möglichkeit haben, E-Rezepte auszustellen. Ihnen mangelt es an zertifizierten Updates für ihre Praxisverwaltungssysteme. Nicht die erste Digitalisierungspanne in Deutschland und schon gar nicht im Gesundheits-Sektor.
Für Shop Apotheke und DocMorris würde sich die Bestellung rezeptpflichtiger Medikamente nach der Einführung des elektronischen Rezepts deutlich vereinfachen. Die eingeplanten Umsatzsteigerungen verschieben sich nun um einige Monate, was natürlich die Geschäftszahlen für das Gesamtjahr belasten wird. Dem Kurs schmeckt das natürlich gar nicht.
Trotzdem könnte die Aktie von Shop Apotheke Europe für spekulative Anleger gerade wegen der vorliegenden Probleme attraktiv sein. Star-Investor Ken Fisher hat bereits vor 35 Jahren in seinem ersten Buch dargelegt, dass es bei den meisten erfolgreichen Wachstums-Unternehmen nach der ersten Sturm- und Drangphase zu massiven Problemen und Kurseinbrüchen kommt. Das schnelle Wachstum bringt das Unternehmen an einen Punkt, wo die bewährten Startup-Strukturen nicht mehr ausreichend sind und an größeren Volumina angepasst werden müssen. Das geht oft einher mit Umstrukturierungen, mehr Hierarchie und neuen Herangehensweisen, was zu Frustration bei Personal und Kunden führt und Umsatz- und Gewinneinbußen. Diese Wachstumsschmerzen belasten auch den Aktienkurs für eine gewisse Zeit und stellen oft die Chance dar, im zweiten Anlauf doch noch halbwegs günstig in ein starkes Wachstums-Unternehmen einsteigen zu können.
Und bei Shop Apotheke könnte genau dies der Fall sein. Die Probleme in der Logistik sind endlich gelöst und die Aktie ist zusätzlich unter Druck wegen der Verschiebung beim E-Rezept. Die Zahlen für 2021 werden dem entsprechend schlecht(er) ausfallen, aber an der Börse wird die Zukunft gehandelt. Und wenn das E-Rezept dann endlich Fahrt aufnimmt, kann Shop Apotheke die anspringende Nachfrage aus dem dann einwandfrei funktionierenden erweiterten Logistikzentrum bedienen. Zur Freude der Umsätze, der Marge und der Aktionäre.
Shop Apotheke Europe NV (ISIN: NL0012044747) |
|
WKN / Kürzel |
Börsenwert |
KGV 21e/22e/23e |
Kurs |
A2AR94 / SAE |
2,3 Mrd. EUR |
neg. / neg. / 93 |
264,70 EUR |
Mein Fazit
Corona hat die digitale Transformation unserer Gesellschaft innerhalb von 18 Monaten um viele Jahre vorangetrieben. Die Menschen haben viele neue Gewohnheiten entwickelt und davon werden sie ein Großteil beibehalten, auch wenn Corona seinen Schrecken immer mehr verliert.
Dass bei vielen Corona-Gewinnern die Zuwachsraten deutlich zurückgegangen sind, sollte die Anleger nicht verunsichern. Das Wachstum findet weiterhin statt und die Unternehmen sind besser als vor Corona darauf vorbereitet. Die meisten Aktienkurse haben deutlich korrigiert seit ihren Höchstständen, manche aus nachvollziehbaren Gründen. Doch alle 4 Werte haben das Potenzial für eine zweite Welle.
Wer an die Unternehmen und ihr Geschäftsmodell glaubt, für den dürften sich die aktuellen Kurse auf Sicht von 12 bis 18 Monaten als gute Einstiegsgelegenheit herausstellen. Was nicht heißt, dass genau jetzt der tiefste Punkt erreicht ist und die Kurse nicht noch ein bisschen mehr absacken können. Aber das perfekte Markt-Timing bringt ohnehin nicht die höchste Rendite, sondern der Herauspicken der aussichtsreichsten Unternehmen und das Festhalten an ihren Aktien, solange die Unternehmen in der Erfolgsspur bleiben. Im Idealfall für Jahrzehnte.

Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig,
Value Investor und Betreiber des Blogs
„iNTELLiGENT iNVESTiEREN“.
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Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Zalando, HelloFresh, home24 & Shop Apotheke Europe. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.


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Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen &
ein schönes Wochenende wünscht Dir
Dein
Armin Brack
Chefredakteur Geldanlage-Report

>> Die nächste Ausgabe erscheint am 9. Oktober

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